Spontankauf oder rationale Kaufentscheidung? Was bewegt den Konsumenten auf „kaufen“ zu klicken? Diesen Fragen hat sich auch die Hirnwissenschaft angenommen und versucht die Wirkung von Werbereizen durch den direkten Blick ins Gehirn zu entschlüsseln. Welche Tricks lassen sich im E-Commerce anwenden?
Kurze Geschichte des Neuromarketings
Als im Jahr 2002 erste Marketingstrategen mit dem Neuromarketing anfingen, stießen sie nicht auf sonderlich viel Interesse. Der neuartige Wissenszweig zum Konsumentenverhalten, bei dem Hirnforschung, Marketing und Psychologie zusammentreffen, war in einer Welt voller statischer Webseiten einfach zu fortschrittlich. In den letzten Jahren hat sich das Internet aber enorm gewandelt, Onlineshopping boomt und das Neuromarketing erlebt einen neuen Aufschwung.
Neuromarketing-So wird unser Kaufverhalten erforscht
Mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie im Kernspintomografen, kurz fMRT, erforschen Neurowissenschaftler die Aktivität des Gehirns wenn der Versuchsperson bestimmte Marken, Produkte oder Personen vorgeführt werden. So können die Forscher nach und nach entschlüsseln, wovon wir uns bei Einkaufsentscheidungen leiten lassen. Die fMRT liefert stichhaltige Fakten, anders als etwa ein Fragebogen. Denn der direkte Blick ins Gehirn lügt nicht und macht auch Gehirnprozesse sichtbar, die für den Probanden im Verborgenen bleiben.
Die Theorie
Verkaufen ist nicht ganz so einfach, wie es auf den ersten Blick vielleicht scheint. Deshalb ist auch der theoretische Unterbau des Neuromarketings komplex. Unter anderem unterscheidet die Theorie zwischen verschiedenen Käufergruppen, die unterschiedliches Kaufverhalten zeigen. Hier sind drei wichtige Konzepte knapp zusammengefasst, die für alle Käuferschichten gelten.
Storytelling: Generell speichert das menschliche Gehirn Informationen dann am besten ab, wenn diese in Geschichten verpackt sind. Durch eine Story lassen sich Gefühle vermitteln und Empathie erwecken. Geschichten prägen sich stärker ein, man spricht hier von der Behaltensleistung, als bloße Aufzählungen von nackten Fakten.
Multisensorische Prozesse: Das Gehirn kann eine höhere Behaltensleistung erzielen, wenn Informationen auf unterschiedlichen Wegen vermittelt werden. Die Kombination von Ton, Bild und Interaktivität wirkt besonders gut.
Spiegelneuronen: Lernen durch Beobachtung, so funktioniert es bereits seit Kindertagen. Der Grund dafür liegt in den Spiegelneuronen, mit denen das Gehirn gesehene Handlungen in eine genaue, mentale Kopie umwandelt. Sie helfen dem Kunden Empathie zu empfinden und dies kann zu einer höheren Conversion-Rate führen.
Neue Techniken für eine bessere Conversion-Rate
Mittlerweile ist dank neurowissenschaftlicher Untersuchungen klar: Kaufentscheidungen basieren bis zu 95% auf emotionalen Beweggründen. Löst die Website beim User keine Emotionen aus, klickt er weg. Dr. Hans-Georg Häusel drückt es besonders prägnant aus: „Marken, Produkte oder Services, die keine Emotionen auslösen, sind für das Gehirn wertlos.“ Durch eine multisensorische Ansprache lässt sich aber die Conversion-Rate wesentlich steigern. Das Beispiel eines großen Internethändlers illustriert gleich mehrere erfolgreiche Techniken:
- Produktpräsentation in Bildern anstatt in Wörtern prägt sich beim Kunden besser ein.
- Produktbeschreibung knapp aber detaillier gestalten, der Kunde behält nur circa sieben Informationen im Kurzzeitgedächtnis. Zusätzliche Angaben können durch weiterführende Links angeboten werden.
- Kundenbewertung sind Geschichten! Dank der Stories anderer Kunden wird das Produkt vom Käufer besser aufgenommen. Das Storytelling schafft nicht nur Ver- oder Misstrauen, es bleibt auch eher im Gedächtnis.
- Ähnliche und ergänzende Produkte anbieten. Legt der Kunde ein Produkt in den Warenkorb, könnte es sein, dass ähnliche oder ergänzende Produkte ebenfalls von Interesse sind. Werden diese gezielt präsentiert, animiert es zum Kauf.
- „Das haben andere Kunden gekauft„, mit diesen einfachen Worten und entsprechenden Bildern lassen sich Geschichten erzählen. Der Käufer wird dadurch erneut zum Kauf angeregt.
- Preisdarstellung: Die Ergebnisse aus dem Kernspintomografen belegen, dass Rabatte den Kunden zum Kauf verlocken. Genauer gesagt, nimmt die Aktivität einer Kontrollregion im Gehirn ab, während das Belohnungssystem so richtig auf Touren kommt. Eine rot markierte 16,99 wird im Vergleich zu einer glatten 17 vom Gehirn als attraktiver empfunden. Sogar 1 Cent Unterschied kann da den „Jagdtrieb“ wecken.
- Knappheit suggerieren. Das Kaufverhalten wird von geringen Stückzahlen beeinflusst, denn sie vermitteln eine gewisse Dringlichkeit. Eine Anmerkung wie „nur noch 3 Stück vorhanden“ drängt den Kunden zum schnellen Handeln.
- Option One-Click-Buy anbieten. Weniger Arbeitsschritte bei der Bestellung können die Motivation zum Kauf erhöhen.
- Personifiziertes Einkaufserlebnis: Durch Cookies lassen sich Käufern gezielt individuelle Produktvorschläge sowie eine personenbezogene Darstellung der Website zeigen. Auch Features wie Merkzettel oder bereits besichtigte Artikel verhelfen dem User den Kauf beim nächsten Besuch schneller abzuschließen.
- Personifizierte Newsletter verwenden. Diese basieren auf der Analyse des Käuferverhaltens (gesuchte und gekaufte Artikel). Der Newsletter kann gezielt an die sieben verschiedenen, durch Neuromarketing definierten Limbic Types angepasst werden. Denn der limbische Typ „Performer“ wünscht sich ein komplett anderes Shoppingerlebnis als beispielsweise ein „Disziplinierter„.
Das Neuromarketing im E-Commerce steckt erst in den Kinderschuhen. In Zukunft wird es aber verstärkt E-Commerce-Seiten mit dynamischen Produktpräsentationen geben, also mit umfangreichen Ton-, Video- und Bildelementen. Viele solcher Techniken, die beim User gezielt Emotionen wecken, sind heute schon aus der Welt der Computer- und Konsolenspiele bekannt. Einige Systeme können bereits menschliche Bewegungen erkennen, so dass Responses ohne Maus und Tastatur möglich sind. Zukünftig soll es sogar per Spracherkennung gehen. Es ist also nur ein kurzer Gedankensprung zu der Vorstellung, dass Kunden im E-Commerce persönlich begrüßt oder ihnen virtuelle Vorführungen der Produkte angeboten werden.
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